Statement des PPC Vorstandsvorsitzenden Ingo Schönberg

Am 11. Januar 2023 wird das Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende im Kabinett vorgestellt und voraussichtlich zeitnah im Bundestag beschlossen. In dieser Meldung ordnet Ingo Schönberg (Vorstandsvorsitzender PPC) den Gesetzentwurf und den deutschen Weg in den europäischen Kontext ein.

Mannheim, 9. Januar 2023: Nach einem holprigen Rolloutjahr 2022 mit Warten auf eine neue Markterklärung kündigte Minister Habeck im Oktober endlich die erhoffte Novelle des Messstellenbetriebsgesetzes an. Mit dem „Gesetz zum Neustart der Digitalisierung der Energiewende (GNDEW)“ soll der Rollout der Smart-Meter-Gateways als zentraler Digitalisierungs-Baustein der Energiewende und der cybersicheren Energieversorgung in Deutschland beschleunigt werden. Der vorgelegte Entwurf fand in vielen Punkten die Zustimmung der Branche und auch wir halten den Entwurf für gelungen. Die von Minister Habeck angekündigten wichtigen Maßnahmen zur Beschleunigung finden sich im Gesetzesentwurf wieder, wie z.B. die Abschaffung der Markterklärung, ein verbindlicher Rolloutplan bis 2030, mehr Daten für den Netzbetrieb, Agilität als Basisstrategie oder die drastische Reduktion der Entgelte für Endkunden (Preisobergrenze, POG) durch Verrechnung von Kosten an die Netze. Allerdings: Noch vertrauensbildender wäre es gewesen, wenn alle Behörden im Schulterschluss agiert hätten. Sicher gibt es im Detail des GNDEW noch Optimierungsbedarf. Dabei geht es insbesondere um die Zielvorgaben, Preiskomponenten oder die Koordination der Messstellenbetreiber in Steuerungsprozessen. Diese wurden von den Verbänden Ende 2022 auch entsprechend kommentiert und dürften teilweise in die aktuelle Gesetzesvorlage einfließen.

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Abbildung 1 Ingo Schönberg, Vorstandsvorsitzender (CEO)

Insgesamt liefert das BMWK allerdings mit dem GNDEW nicht nur das erhoffte Signal zur Beschleunigung in Deutschland, sondern auch ein klares Statement zum EU-Aktionsplan „Digitalisierung des Energiesystems“. Bereits 2016 wurde im “Clean Energy for All Europeans Package” die Digitalisierung als wichtiges Instrument zur Förderung des Einsatzes von sauberer Energie und der Sektorenkopplung in der EU angeführt. Im Oktober 2022 hatte die Europäische Kommission im EU-Aktionsplan Digitalisierung des Energiesystems nochmals sehr deutlich gemacht, dass hier akuter Handlungsbedarf bestehe: „Die Digitalisierung des Energiesystems ist eine politische Priorität, bei der der europäische Grüne Deal und das europäische Politikprogramm „Weg in die digitale Dekade“ für 2030 einander ergänzen“. Die Kommission schätzt, dass bis 2030 mehr als 170 Mrd. Euro in die Digitalisierung der Energiesysteme investiert werden müssen, um Daten bereitzustellen sowie Systembausteine der Energiewende und Energienetze aktiv steuern zu können. Aufgrund der gestiegenen Risiken in den Bereichen Cybersecurity und Datenschutz dürften diese Summen weiter ansteigen, um die Sicherheit der digitalen Infrastruktur in Energiesystemen zu gewährleisten. Im EU-Aktionsplan wird ein Ziel-System für ein Smart Grid beschrieben, das bisher in den meisten Ländern Europas noch nicht vorhanden ist. Der immer wieder kolportierte Vorsprung anderer Länder vor Deutschland beim Rollout liefert keine Smart Grid Plattform, da in Europa bisher vor allem einfache Smart Meter zum Einsatz kommen. Diese können zwar den Verbrauch der Kunden zu Abrechnungszwecken auslesen und übertragen, werden aber keinesfalls dem von der EU geforderten Plattformansatz mit Echtzeitsteuerung über cybersichere Systeme gerecht.

Im Gegensatz zu bisherigen europäischen Smart Meter Ansätzen wurden in Deutschland frühzeitig die Weichen hin zu einer energiewendetauglichen und cybersicheren Smart Grid Lösung gestellt. Unser Ansatz eines „digitalen Netzanschlusses“ mit dem Smart-Meter-Gateway als Sicherheitsanker und Möglichmacher für Steuerungsvorgänge, Tarifierung und Netzüberwachung ist bisher einmalig. Dieser vorausschauende Ansatz zur systemischen Integration der Erneuerbaren und zur Flexibilisierung bei der Sektorenkopplung mit Wärme und Mobilität sucht seinesgleichen in Europa. Insbesondere das Partizipationsmodell des Digitalen Netzanschlusses, bei dem der Endkunden SMGW-gestützt Sollwerte für den Netzanschluss erhält und diesen eigenverantwortlich über Energiemanagementsysteme einhält, ist eine Blaupause für Europa. Aus der Kritik „Deutschland hinkt hinterher“ kann mit dem GNDEW ein „Deutschland eilt voraus“ werden. Dies gilt insbesondere für den Vorsprung bei der Cybersicherheit der SMGW-basierten Plattformlösung, die bereits im Sinne des „EU Cyber Resilience Act“ Produkt- und Systemsicherheit berücksichtigt. Hier hat das BSI frühzeitig die richtigen Weichen gestellt und Hersteller bei notwendigen Sicherheits-Zertifizierungen erfolgreich begleitet.

Sicher lief in den letzten Jahren auf vielen Ebenen im Rollout und im Aufbau der Systemlandschaften nicht alles perfekt und vieles musste erst erlernt werden. Allerdings sind zertifizierte SMGWs längst nicht mehr der Flaschenhals im Rollout. Und auch das GNDEW allein kann nicht alle Hemmnisse beseitigen. Es bringt jedoch deutlich mehr Agilität in die Rollout- und Entwicklungsprozesse, zum Beispiel beim Aufbau der Backend-Systeme für eine massenmarkttaugliche Steuerung und Netzüberwachung oder bei der Umsetzung des digitalen Netzanschlusses (SMGW und Energiemanagement-System am Netzanschluss). Das Gesetz ermöglicht zudem eine sukzessive Fortentwicklung der SMGWs, um über Softwareupdates flexibel auf neue oder sich ändernde Anforderungen in der Energiewende reagieren zu können. Allerdings: Das Eichrecht in der aktuellen Form passt nicht für digitale Systeme und wirkt so noch als Agilitätsbremse.

Rückblickend kann man Ende 2022 feststellen, dass der „Proof of Concept“ einer hochsicheren skalierbaren SMGW Plattform mit mehr als 300.000 installierten SMGWs erbracht, Updates von allen Herstellern zigfach erfolgreich eingespielt und damit die technische Reife für die mit dem GNDEW eingeforderte Beschleunigung und Agilität belegt wurde. Ja, Cybersicherheit hat ihren Preis. Dabei stets systemisch zu denken ist komplex und die daraus resultierenden Anforderungen sind für Außenstehende manchmal schwer zu verstehen. Aber die Erfahrungen belegen, dass im Dialog der Stakeholder praktikable Lösungen entstehen, wie zuletzt die Branchen-Konsultation für die TR-03109-5 für den Interoperabilitätsnachweis von anbindbaren Einheiten (Steuerbox, Energiemanagementsystem, Submetering) gezeigt hat. Hierbei wurden mit dem BSI auch klare Grenzen für Anforderungen an nachgelagerte Systeme fest vereinbart und so Investitionssicherheit für Entwicklungen und Investitionen gestärkt. Ein ähnlicher Prozess hin zu einfachen Lösungen gibt es bereits jetzt bei der SiLKe.

Die Hersteller von Smart Meter Gateways und Gateway Administrationssystemen haben gelernt, Systeme und Produkte auf höchstem Sicherheitsniveau herzustellen und effizient zu zertifizieren. So entstanden in den letzten Jahren in Deutschland einige mittelständische Technologieführer für die von der EU geforderte „Cybersichere Digitalisierung der Energiesysteme“. Heute sind diese nachweisbar in der Lage, mit dem BSI und der PTB in weniger als einem Jahr eine komplett neue Systemplattform für ein SMGW durch ein Zertifizierungsverfahren zu bringen oder zeitnah etwaige Bugs zu beseitigen und die geprüfte Software zum Update auszuliefern. Agilität ist also bereits gelebte Praxis. Das schnelle Update der Geräte scheiterte bisher leider (noch) oft am föderal geprägten Eichrecht und entsprechender Hemmnisse für Hersteller und MSB. Aber auch hier wird hat das BMWK bereits den Transfer in die Zeit digitaler Systeme angekündigt.

Cybersicherheit ergänzt zukünftig das energiewirtschaftliche Dreieck zum „Energiewende Viereck“, in dem eine Balance aus Cybersicherheit, Preiswürdigkeit, CO2-Reduktion und Versorgungssicherheit im Zielsystem 2030 zu finden ist. Dabei befeuern die stetig wachsende Relevanz von Daten und die technische Möglichkeit über SMGWs mit Endkunden zu interagieren viele energienahe Geschäftsmodelle. Das Orchestrieren aller Beteiligten und der technischen Lösungen wird eine Teamleistung der Behörden, Betreiber, Hersteller und nicht zuletzt partizipationswilliger Endkunden sein müssen, bei der GEMEINSAM nach vorne geschaut und zum Nutzen der Energiewende lösungsorientiert gedacht und gehandelt werden muss. Das vom BMWK initiierte GNDEW ist hierfür ein wichtiger Meilenstein und es darf gehofft werden, dass bis zur Vorlage des GNDEW in der Kabinettssitzung am 11. Januar 2023 alle an einem Strang ziehen, nach vorne schauen und die Bundesregierung das Zielsystem zur Digitalisierung fest im Auge behält.